Vom lahmen Dressurkracher zum fröhlichen Ritterross

Hier möchte ich euch die Geschichte von Nemo erzählen.

Aus Pferdesicht gesehen hatte Nemo keinen guten Start ins Leben. Im Mutterleib schon zum Superkracher ernannt war er als Fohlen zu teuer um unbeaufsichtigt und frei auf einer Koppel toben zu dürfen. Nemo wuchs in einer Box mit täglichen „Freigang“ in der Reithalle auf, mit gelegentlichen Spaziergängen an der Hand.

Mit 2 Jahren dann wurde er auf einer Jungpferdeauktion zum Traumpreis des Züchters an einen renommierten Dressurstall verkauft. Koppeln suchte man hier vergebens – zu teuer war jedes einzelne Pferd in diesem Stall um auf eine Koppel zu dürfen.

Bald schon stellte man fest das Nemo den hohen Erwartungen, die man an ihn stellte, nicht gerecht wurde. Zudem fing Nemo an zu Koppen und es wurde eine sogenannte „Kopper OP“ bei ihm vorgenommen auch fing er an Reiter und Personal zu Zwicken.

Für den ganz großen Sport nun doch nicht geeignet wurde Nemo an eine ambitionierte Amateurdressurreiterin verkauft. Froh sich dieses herrliche Tier leisten zu können, auch wenn der Preis immer noch eine stolze Summe war, zog Nemo nun in einen Stall mit fensterlosen Boxen, aber es gab zumindest Koppeln in der Größe eines Reitplatzes um wenigstens ein bisschen Freiheit zu genießen.

Mit 8 Jahren fing Nemo an zu Lahmen mal mehr mal weniger. Tierärzte gaben sich die Klinke in die Hand und eine Therapie nach der anderen wurde verabreicht aber das Lahmen blieb. Die Röntgenbilder der Hufe wiesen einige Auffälligkeiten auf. Nemo, seit seinem 3. Lebensjahr konstant eisenbeschlagen, bekam die endgültige Diagnose „therapieresistente Hufrollengeschichte“. Auf die Idee den Hufen mal eine Auszeit zu geben und die Hufform zu optimieren kam Keiner. Der traurigen Besitzerin, die ihren Traum vom Dressurreiten mit diesem Pferd nun endgültig begraben musste, wurde gesagt „Nervenschnitt und in den Freizeitreiterbereich oder Einschläfern“.

So wurde für Nemo, mittlerweile knapp 10jährig, ein neues zu Hause als Beisteller oder Freizeitpferd mit Nervenschnitt gesucht. Denn Einschläfern kam für die Besitzerin nicht in Frage, aber sie ist eine Turnierreiterin und suchte schon noch einem neuen Pferd und zwei Pferde waren ihr einfach zu viel. Durch Zufall war mein Mann als Huforthopäde bei einem Kundenpferd in dem Stall wo Nemo stand und gleich wurde er gefragt, ob er nicht jemanden wüsste, wer diesem prachtvollen Trakehner ein zu Hause geben kann. Er wäre zwar Lahm, würde Beißen und man müsste wohl einen Nervenschnitt machen lassen, aber sonst wäre er ganz toll. Ein kurzer Blick meines Mannes in die Box zu dem, mit den Zähnen knirschenden, Fuchs und mein Mann beschloss – den nehmen wir! Wer bin ich das ich diesen Beschluss nicht großartig finden musste.

So zog Nemo zu uns in den Offenstall. Die ersten Tage verbrachte er mit dem Kopf weit in den Himmel gereckt. Bestaunte Wind, Sonne und Regen, sein erster Regen den er auf der Haut spürte. Nach drei Tagen bei uns nahmen wir ihm die Eisen ab und ein grosses Hufgeschwür kam zum Vorschein.

Nemo lebte sich ein, schloss Freundschaften zu den anderen Pferden und genoss sein Leben. Langsam erholten sich seine Hufe unter der huforthopädischen Bearbeitung. Die Trachten stark untergeschoben, die Hufform wahrlich nicht optimal aber die Hufe waren auf dem besten Weg. Seine Muskulatur gewöhnte sich an die stete Bewegung und die 24h Rauhfuttergabe.

Seine Vorbesitzerin besuchte ihn und meinte das sie nie auf den Gedanken gekommen wäre ihm die Eisen abnehmen zu lassen auch die Tierärzte hätten das nie in Erwägung gezogen, auch wenn sie die blutigen Hornspäne vor Nemos Box, nachdem der Schmied da war, schon bedenklich fand. Was sagt man dazu?

Da keine Lahmheit über Wochen zu erkennen war beschlossen wir Nemo zu Reiten. Jeder von uns drehte seine Runden auf dem, ganz ohne Nervenschnitt, nur so dahinschwebenden Nemo. Doch als bestes Paar mit Nemo stellte sich unser Sohn heraus. Da unser Sohn ein Ritter aus Leidenschaft ist wurde Nemo zum Ritterpferd umgeschult. Und das war sein Ding. Tjosten, Ringreiten, Bogenschiessen selbst Schwertkampf war mit Nemo möglich.

10 Jahr lang waren unser Sohn und Nemo ein Rittertraumpaar, gingen Ausreiten, wagten auch den einen oder anderen Sprung und hatten eine tolle Reitzeit.

 Nemo lahmte keinen einzigen Tag und hat nie gebissen.

Mit 20 bekam er leider DSLD und ging in Rente, mit 24 mussten wir ihn schweren Herzens gehen lassen.

Wir hatten viele Jahre einen wundervollen Trakehner und mit ihm eine fantastische Zeit – Danke dafür Nemo und Danke an meinen Mann den Huforthopäden nach Biernat.

Und die Moral von der Geschicht – unterschätze die Hufe nicht!