Von der Hufrehe und tierärztlichen Maßnahmen

„Bei meinem Pferd wurde Hufrehe diagnostiziert“ ist eine der häufigsten Aussagen von Pferdebesitzern, wenn sie mich wegen Lahmheiten ihres Pferdes kontaktieren.

Tatsächlich ist eine Anzahl von Auslösern bekannt, die zur Hufrehe führen können. Sie kann schleichend über Wochen, oder bereits innerhalb weniger Stunden in ein Frühstadium eintreten. Dieses Frühstadium beginnt, wenn das Pferd mit Faktoren in Kontakt kommt, welche, die für die Auslösung der Hufrehe verantwortlichen, pathologischen Mechanismen auslösen können.

Vereinfacht gesagt führen diese pathologischen Mechanismen bei der systemischen Reheerkrankung zu einer Gerinnungsstörung des Blutes und zu seinem quantitativ reduzierten Durchfluss durch die Endungen der Kapillaren der Huflederhäute, wobei beide pathologischen Mechanismen Auslöser und Folgen sein können. (Stashak /Adams etc.)

Infolge der, mit der mangelhaften Blutversorgung einhergehenden Fehl- und Mangelernährung, insbesondere der dem Herzen fernsten peripheren Zellen der Hufwandlederhaut, verändern die ihren Verhornungsprozess oder stellen ihn gänzlich ein.  In der Folge kommt es zu einer Zusammenhangstrennung zwischen dem benachbarten Hufhorn und der Huflederhaut und zusätzlich zu physikalischen Kräften, die zur mechanischen Zerreißung des Hufbeinträgers führen.

Der Frühphase folgt die akute Phase. Sie beginnt mit den ersten Schmerzreaktionen und Störungen beim Gebrauch der Gliedmaßen, denen meist rasch zunehmende Lahmheiten folgen, welche bis zur völligen Unbeweglichkeit des Pferdes führen können.

Der infolge einer Hufrehe veränderte Huf weist in der Hornwand des Hufrückens typische Hornringe auf, welche hier eng beieinanderliegen und im Verlauf zu den Trachten größere Abstände einnehmen und weniger deutlich ausgeprägt sind. 

Die häufigsten Auslöser der pathologischen Mechanismen stellen nicht pferdegerechte Nahrungsinhalte dar, durch die es zu massiven Störungen der Verdauungsprozesse kommt.

Ferner können pathologische Prozesse aufgrund von Intoxikationen, z.B. infolge von Nachgeburtsverhalten, oder durch Medikamente und als Folge von Erkrankungen, insbesondere der Ausscheidungsorgane ausgelöst werden. 

Die Möglichkeiten, dass ein Pferd an einer Hufrehe erkrankt, sind also vielfältig. Dennoch gibt es deutlich mehr andere Ursachen, die zu vergleichbaren Veränderungen der Hufe und zu identischen Lahmheitsbildern wie bei der Rehe führen, die dann oft fälschlich als „Huf – Rehe“ diagnostiziert wird und die betroffenen Pferde folglich entsprechend als „Huf – Rehe Patienten“ fehlbehandelt werden.

Die auf diese Weise zustande kommenden Fehlinterpretationen von Lahmheiten können mit einer Häufigkeit von etwa 80 % beziffert werden, woran schon die Zuordnung rein mechanisch ausgelöster Entzündungen und Schmerzhaftigkeiten, namentlich die von der Saum- und Wandlederhaut ausgehenden, zur Krankheit Hufrehe einen sehr hohen Anteil hat.  

Häufig werden die betroffenen Pferde fehltherapiert, fragwürdigen Behandlungen unterzogen und deren Hufe meist zusätzlich mit sinnlosen oder gar schädigenden Beschlags-Varianten ausgestattet.

Die Leidtragenden sind neben den betroffenen Pferden auch deren Besitzer, die als Nicht-Fachleute damit zurechtkommen müssen, was die Fachleute anraten, anordnen und durchführen, immer im Vertrauen, dass das Beste und Mögliche für ihre Pferde getan wird. Sie müssen zulassen, wenn die Hufprobleme ihre Pferde falsch interpretiert und folglich mit untauglichen Mitteln versehen oder fehlbehandelt werden.   

Erheblichen Anteil an Fehlbehandlungen stellen die systematischen Verabreichungen und nicht kontrollierbare Abgaben von antibiotisch wirkenden Medikamenten an die Patientenbesitzer dar. Dieses obwohl bekannt ist, dass es sich bei der Hufrehe um eine aseptische Erkrankung der Huflederhäute handelt und jeglicher Einsatz von Antibiotika bekanntermaßen die Zunahme multiresistenter Keime fördert.  In Anbetracht dessen nebenbei zu erwähnen sind die unnötige Beeinträchtigung des Organismus der Pferde allgemein, sowie die störende Beeinflussung des regulären Stoffwechsels, besonders nachhaltig des Stoffwechsels der Huflederhäute.

Ein wesentlicher Mangel bei der Rehe Diagnostik ist, dass zwischen Deformierungen der Hufe infolge Störungen oder Erkrankungen des Stoffwechsels und solchen, aufgrund von rein physikalisch ungünstigen Einflüssen auf den Entstehungsprozess der Hufhorne nicht unterschieden wird.

So kommt es dazu, dass nicht differenziert wird zwischen überlangen und/oder zusätzlich konkav verbogenen Hufzehenwänden infolge unangepasster Nutzung der Hufe durch das Pferd und aufgrund nicht daran angepasster Hufbearbeitungsweisen und zwischen einer durch das Vorliegen einer Grunderkrankung des Stoffwechsels generierten Huf- und Hornveränderung wie bei der Hufrehe.

Weiterhin wird ungeachtet dieser, für eine Therapie und für zielführende Hufbehandlungen notwendigen, Unterscheidung zwischen einem Stoffwechsel bedingten Abdriften des Hufes von seinem Hufbein und dem schleichenden und rein physikalisch bedingten Abweichen des Hornschubes aus seiner physiologischen Richtung, jeglicher Verlust der engen und parallelen Anbindung des Hufes an den Hufbeinrücken fälschlich als Hufbeinrotation und somit als angebliche Hufrehe erkannt.

Mittel zum Zweck für die Diagnostik der Hufrehe stellen die röntgenologischen Befunderhebungen dar, mit deren Hilfe eine sogenannte Hufbeinrotation erkannt werden soll, wenn zwischen dem Hufbeinrücken und der Hufzehenwand eine vom Tragrand ausgehend breite und zur Hufkrone abnehmende Zusammenhangstrennung auf dem seitlich aufgenommenen Röntgenbild dargestellt ist. Diese nach oben spitz zulaufende keilförmige „Lücke“ am Ort des Hufbeinträgers soll nach Meinung der Schulmediziner durch den Zug der tiefen Beugesehne am Hufbein zustande kommen, wodurch das Hufbein angeblich in eine Flexion, d.h. in eine steilere Ausrichtung als zuvor gebracht worden sein soll.

Nach der Faktenlage, also bei korrekter Analyse der Vorgänge insgesamt, die zu den vorliegenden Befunden führten, muss konstatiert werden, dass sie von der Tiermedizin vom Grundsatz her fehlinterpretiert sind.

Fakt Nr. 1 ist das nicht Miteinbeziehen der gemeinsamen Strecksehne, mit deren Funktionalität und Zugkraft das betroffene Pferd einer mechanischen und somit äußerst schmerzhaften Zerreißung des Hufbeinträgers infolge der Drehung des Hufbeins in seiner Hornkapsel entgegenwirken wird. Tatsächlich kann nach dem Willen des Pferdes das Hufbein durch das Zusammenspiel der Muskulatur – der tiefen Beugesehne und die gemeinsame Strecksehne – in seiner Position gehalten wird.    

Schon daraus folgt, dass nicht das Hufbein „in Bewegung“ gebracht sein kann, sondern die das Hufbein/ die Hufknorpel umgebende Hornkapsel. Dass sich also der Huf seiner Hebelkraft folgend vom Hufbein absetzt. Im Gegensatz zum Hufbein und der daran ansetzenden Sehnen ist die Hornkapsel nicht mit einer ähnlichen Einrichtung ausgestattet, mit der das Pferd seinen Horn-Schuh ebenfalls kontrollieren und in der korrekten Position halten könnte.

Fakt Nr. 2: Indem bei einer Hufbeinrotation eine Straffung der vorderen Hufkrone und des anschließenden Gewebes bewirkt wird und es infolge der dabei hervortretenden vorderen Hufgelenk-Anteile des Kronbeins zu einer konvexen Rundung dort kommt, ist dort die Bildung der für die Hufrehe typischen und bekannten Rille in der Hufkrone ausgeschlossen.

Vielmehr kommt es hier, im Bereich der größten Schräge der Hufwand und der längsten Hornstrecke zu starken Hebelkräften, die bodenseitig nach vorne ausweichend, in der Hufkrone Druck nach innen/oben ausüben. Entsprechend entstehen die nachfolgenden Rehe-Ringe aufgrund einer mechanischen Einschnürung der, an die starre Hornwand anschließenden und nachgiebigen Hufkrone und des benachbarten weichen Gewebes.

Aufgrund dieser Einschnürung, sowie aufgrund des mangelhaft synthetisierten Wandhorns kommt es u.a. tatsächlich zu denen für eine Hufrehe typischen Ring- und Rillenbildungen, welche im Bereich der stärkeren Hufwand-Hebel und Drücke, also im Bereich des Hufrückens naturgemäß ihre stärkste Ausbildung haben, und enger beieinanderliegen als im Verlauf zu den mit weniger Kraft hebelnden Hufseitenwänden und Trachten.

Fakt Nr. 3: Infolge der angeblich stattgefundenen Rotation des Hufbeins soll es angeblich zu der gefürchteten Komplikation eines Durchbruchs der Hufbeinspitze durch die Hufsohle kommen.

Tatsächlich aber nimmt der Abstand der Hufbeinspitze zum Boden in dem Maße ab wie die Hornkapsel nach vorne/seitlich von ihrem Hufbein abdriftet. Das, zu Ringen zusammengefaltet, produzierte Wandhorn verkürzt die physiologisch erreichbare Hornstrecke ebenfalls, wodurch der Abstand der Hufbeinspitze zum Boden zusätzlich mit der Folge abnimmt, die zur Quetschung der betroffenen Huflederhäute und nachfolgend zu ihrem Durchbruch durch die Hufsohle führen kann. 

Fakt Nr.4: Aufgrund und infolge der, auf das Hufbein einwirkenden Körperlast, und zudem gefördert durch einen beschädigten und nur vermindert tragfähigen Hufbeinträger, wird das Hufbein in Folge einer Rehe vorne nach unten in seinen Hornschuh einsinken. Mit diesem Einsinken des Hufbeins nach unten geht eine mechanisch bedingte Aufstellung der vorderen hornproduzierenden Huflederhautpapillen nach oben einher, ein Umstand der den regulären Weg des produzierten Wandhorns zusätzlich abweichen lässt und seine Ringbildung zusätzlich begünstigt.     

Fehldiagnosen- und Behandlungen behindern ebenso wie das übliche Maskieren der krankhaften Veränderung durch Medikamentengaben und sogenannten Rehe-Beschlägen etc., die zielführenden Maßnahmen die zur Heilung führen können – dieses oft über lange Zeiträume hinweg.

Die hierdurch ausbleibende heilend wirkende Behandlung führt dann zwangsläufig zu überflüssig langwierigen und massiven Belastungen des Pferdes, wird das Problem der Zunahme multiresistenter Keime außeracht gelassen, es verursacht unverhältnismäßig hohe Kosten

Aus der Sicht der Pferde besteht perspektivisch die Gefahr, dass es die typischen und ihm nicht zumutbaren, weil dauerhaft unangenehmen, oder chronisch schmerzenden Rehe-Hufe erwirbt und durch sie behindert wird. Oder schlimmstenfalls, dass nicht reversible Veränderungen, mit unheilbaren Folgeerkrankungen infolge einer zuvor durchaus reversiblen also heilbaren Veränderung der Hufe ihm jegliche Lebensqualität nehme. „Kein Huf, kein Pferd“ beinhaltet nicht die Botschaft, sondern „veränderte Hufe armes Pferd“.

Es ist diesen unhaltbaren Umständen geschuldet, dass ich mich nun auch an dieser Stelle und in dieser Form kritisch mit solch chronischen Irrungen und ihren Folgen auseinandersetze.

Bereits seit über 20 Jahren wird von meiner Seite auf die Irrtümer der Tiermedizin bei der Rehe-Diagnostik und Hufdiagnostik allgemein hingewiesen und in der Theorie nachgewiesen, sie werden angesichts unzähliger – nach huforthopädischen Richtlinien – erfolgreich rehabilitierter Hufanomalien auch praktisch nachgewiesen.

Schon bei trefflicher Bewertung der bei der Rehe-Erkrankung real stattfindenden Vorgänge und zudem bei logischer Bewertung der erworbenen äußeren Veränderungen, sollte für deren Zustandekommen zum Rehe-Huf eine Hufbeinrotation zwingend ausgeschlossen werden können. Ist man nicht gewillt oder nicht mutig genug die althergebrachten Theorien zu hinterfragen? Obwohl man immer wieder feststellen muss, dass etwas offensichtlich nicht stimmen kann und nicht funktioniert? Weshalb ist man da nicht bereit über seinen meist akademischen Schatten zu springen und die Parameter zu wechseln? 

Nur sehr vereinzelt sahen sich seither Tiermediziner allgemein imstande sich moderneres Wissen anzueignen, als was ihnen von den Fakultäten zu den Hufen mitgegeben wurde. Es ist ein mühseliges Unterfangen der Realität zum Durchbruch zu verhelfen, infolge derer die Tiermedizin allgemein mit der Huforthopädie kooperiert und danach handelt, und um somit dem Tierschutz – als ihrem oberstem Gebot – auch an dieser Stelle Genüge zu tun. Denjenigen denen das gelungen ist zolle ich meinen Dank, Respekt und meine Anerkennung.

Jochen Biernat

11/2017