Der Hornstrahl, seine Aufgaben und Erkrankungen
Der Hornstrahl hat zuvorderst schützende, stützende und dämpfende Eigenschaften. Er ist wie der restliche Huf ein Anhangsgebilde der Haut mit allen hauttypischen Charakteristiken.
Die Struktur, Konsistenz und die Funktionen des Strahlhorns unterscheiden sich aber wesentlich von den anderen Hufhornen. Es ist innerhalb seiner physiologischen Grenzen deutlich feuchtigkeitsliebender, und je nach Sättigungsgrad mit Feuchtigkeit aus dem physikalischen Umfeld von mehr oder weniger zähelastischer Konsistenz. Das Strahlhorn kann an seiner Außenschicht durch anhaltende Trockenheit auch sehr dicht werden und dann steinhart sein. Aufgrund der ständigen Versorgung mit körpereigener Feuchtigkeit aus der Strahllederhaut bleiben die Anbindung des Strahlhorns an seine Lederhaut und seine Basis dagegen stets mit dem physiologisch korrekten Anteil an Feuchtigkeit gesättigt und der Strahlkörper somit stets funktionstüchtig.
Entsprechend seiner Eigenschaften und Lokalisation soll der Strahl die Auftritthärte der Gliedmaße minimieren, und er ermöglicht als elastische Verbindung zwischen beiden Hufhälften zugleich den kontrollierten und gedämpften Ablauf ihrer interaktiven Mechaniken.
Gemeinsam mit dem oberhalb liegenden Strahlkissen ist der Strahl je nach Kondition und Volumen zusätzlich geeignet das Hufgelenk mit dem Strahlbein mehr oder weniger stützend zu unterpolstern und somit die Aufhängebänder des Strahlbeins zu entlasten.
Der taugliche Strahl kann demnach wichtige Aufgaben für den Erhalt des funktionierenden Hufes und für eine tüchtige Gliedmaße übernehmen. Die Erfüllung seiner Aufgaben ist aber wegen der bodennahen Positionierung und besonders aufgrund seiner Lage zwischen zwei ihn dominierenden Hufsegmenten die seine Ausdehnung und Form mechanisch beeinflussen können meist gefährdet.
Veränderungen und Erkrankungen
1. Stauende Feuchtigkeit.
Ein Gefahrenpotential für das Entstehen von Veränderungen die schließlich zu einer Reaktion mit Erkrankung des Hautanteils „Strahl“ führen stellen die unphysiologischen und somit ungünstigen auf seine Lederhaut einwirkenden mechanischen Einflüsse dar, wie sie mit sich verändernden Hufen nun mal zwangsläufig einhergehen. Hierbei handelt es sich um den Strahl seitlich einengende Drücke wie z.B. bei eingerollten Trachten-Komplexen, wenn bei Trachtenzwang der jeweils beteiligte Strahlanteil eingeengt wird.
Wird ein Huf ein- oder beidseitig enger werden die Strahlfurchen rein mechanisch bedingt zu engen und schwitzfeuchten Hautfalten. Betroffen als enge Hautfalte ist neben den seitlichen Strahlfurchen hauptsächlich die mittlere Strahlfurche, bei der die Schwitzfeuchte aufgrund der Enge zur sauerstoffarmen stauenden Feuchtigkeit wird, in welcher das nachwachsende Horn sich nicht festigt sondern zu einer hellen und penetrant übelriechend breiigen Schmiere wird. Die so vom Horn entblößten Anteile der Saum-Ballen-Strahllederhaut sind hypersensibel bei Berührungen und sicherlich insgesamt zumindest unangenehm für das Pferd.
Äußerlich erkennbar ist der Krankheitsherd in der mittleren Stahlfurche an der für das Krankheitsbild typischen und häufig bis hoch in die behaarte Haut und tief zwischen die Gewebe reichenden und krustig umrandeten Zusammenhangstrennung zwischen beiden Ballen.
Eher selten und als Nebenerscheinungen können sich mittig beider Ballen skurrile Hahnenkamm-Horngebilde entwickeln die dann in Aussehen und Form einem Holzspan oder Metallnagel ähneln können.
2.Anaerobe Bakterien
Mit der Anfangsveränderung der zu engen und feuchten Hautfalten sind zusätzlich sauerstoffarme und feuchtwarme Bereiche entstanden, die einer systematischen Säuberung schon wegen des Widerstandes der Pferde oft nur eingeschränkt zugänglich sind, und in die sich in der Folge anaerobe Darmbakterien einnisten können, die von überwiegend Pflanzen fressenden Tieren mit den Darminhalten ausgeschieden werden. Der Befall mit dem streng anaerob wachsenden Fusobacterium führt zur bakteriellen Zersetzung des Horns (Mazeration) in einen halbflüssigen Zustand und ist an einer ebenfalls übelriechenden, aber dunklen schwarzgrauen Flüssigkeit oder Schmiere erkennbar. Das mazerierte Horn wird von Tierärzten gerne als „schwarzer Eiter“ bezeichnet und antibiotisch -! behandelt. Von einer solchen bakteriellen Fäule ist grundsätzlich nur das Horn betroffen aber nicht die benachbarte Huflederhaut. Sie kann durch die Strahlhornfäule aber völlig vom Horn entblößt werden, was dann schmerzhaft wird und zu der Folgeerkrankung führen kann die als Strahlkrebs benannt ist, und schließlich zu der weiteren Komplikation der sogenannten chronischen Saumbandentzündung.
Die Strahlfurchen in ihrer Tiefe und überhaupt alle Bereiche der Bodenfläche des Hufes in denen halboffene und sauerstoffarme Bereiche bestehen sind immer für das Entstehen der Hornfäule gefährdet. Hierzu zählen neben unzureichend ausgeräumten Strahlfurchen besonders die eng gewordenen Hufe, bei denen durch ihre halbseitige Überbelastung die bodennahen Horne dem Druck gewichen sind, und z.B. das Strahlhorn seine zentrale Position und Ausrichtung eingebüßt hat und Strahlfurchen abdeckt oder einengt. Auch in den bodennah aufgerissenen bzw. breit gespreizten Hornblättchen und bei Rissen in der Hufwand- und Sohle besteht sauerstoffarmes feuchtwarmes Klima, welches infolge der erheblichen Kontaminationen aus dem Lebensraum der Pflanzenfresser ebenfalls besonders anfällig für Fäulnis ist.
Bei den Hornfäule verursachenden Bakterien handelt es sich um Darmbakterien welche unter Sauerstoff nicht existieren können. Folglich muss es sauerstoffarme Bereiche wie Enge oder pathologische Zusammenhangstrennungen bei den bodenseitigen Hufhornen geben, wenn Anzeichen für Fäulnissprozesse wie schwarze Schmiere, Geruch oder gar Schmerzhaftigkeit beim Reinigen der Strahlfurchen festgestellt werden, und schwarzgraue übelriechende flüssige bis halbflüssige Schmiere auftritt.
Mit der Anzahl der Pferde auf einen begrenzten Raum erhöht sich naturgemäß auch der bakterielle Druck zur Entstehung von Strahl- oder Hornfäule insgesamt, und umso mehr potenzielle Träger die Bakterien an bzw. in ihren Hufen herumtragen und im Habitat verbreiten umso mehr wird sich der bakterielle Druck dort erhöhen. Daraus folgt die Erkenntnis schon durch eine systematische mechanische Säuberung der Hufe bei allen vergemeinschafteten Artgenossen den bakteriellen Druck gering halten zu können.
Die Strahlfäule kann auch bei guter Hufhygiene und in einem von Exkrementen armen Habitat auftreten. Sie ist dann als pathologisches Symptom unregelmäßiger also pathologisch veränderter Hufe anzusehen, was bei regelmäßigen und zielführenden Hufbetreuungen aber größtenteils vermieden werden kann. Wenn allerdings Unerreichbarkeiten eine tiefe und gründliche Reinigung besonders des Stahls und seiner Furchen nicht zulassen muss der Allgemeinzustand der betroffenen Hufe neu bewertet und Schritte eingeleitet werden, die zur orthopädischen Wiederherstellung der korrekten Hufe geeignet sind.
© Copyright Jochen Biernat 12/2018