Von Hornrillen, Rissen und Spalten.

Definition der Hornrillen, Hornrisse-  und Spalten in der Hufwand.

  • Hornrillen sind oberflächliche Defekte in der Hufwand und verlaufen entlang der Hornröhrchen in vertikaler Richtung.
  • Hornrisse entstehen aus Hornrillen und stellen vertikale Zusammenhangstrennungen zwischen und entlang der Hornröhrchen an der Außenfläche der Hufwand dar.
  • Bei der Hornspalte liegt eine die Wand durchdringende und sie komplett teilende Zusammenhangstrennung in vertikaler Ausrichtung vor. Eine Hornspalte entsteht aus einem Hornriss und entwickelt sich entlang der Hornröhrchen. Eine Horn-Spalte kann sich vom Tragrand ausgehend öffnen und zum Auseinanderdriften der voneinander getrennten Hufwandsegmente führen.

Dass Risse im Huf nicht nur einen oberflächigen Fehler darstellen, sondern auf ein orthopädisches Problem hinweisen, ist allgemein meist nicht bekannt. Deshalb werden Hornrisse häufig unterschätzt und dann versucht sie kosmetisch zu behandeln. Oder sie werden als Problem wahrgenommen und man folgt den allgemeinen Meinungen aus dem reiterlichen Umfeld und den Empfehlungen oder Anordnungen aus den anderen Fachbereichen. Von denen wird meist die Meinung vertreten und bis heutzutage verbreitet, dass die mit den Hornröhrchen verlaufenden, sogenannten Windrisse in der Hufwand angeblich als Folgen zu großer Nässe oder Trockenheit des Hufes, und/ oder als Folge seiner Mangelernährung auftreten können.Besonders eine angenommene Mangel- oder Fehlernährung veranlasst dann oft zu angeblich zielgerichtet wirkenden Zusatzstoffen bei der Ernährung des Pferdes zu greifen, und, wenn dieses keinen Erfolg bringt, auch zu seiner Medikamentierung.

Diese Ansichten und die darauf basierenden Maßnahmen berücksichtigen allerdings nicht den Unterschied zwischen einer vom Stoffwechsel ausgelösten Anomalie des Hufhorns, wie beispielsweise bei den sogenannten Futterringen und der Hufrehe und einem Defekt, der an dem bereits gebildeten Wandhorn erst entstanden ist.Weil hier nicht unterschieden wird, kommt es unter anderem zwangsläufig z.B. zu den erwähnten unnötigen Eingriffen in den Stoffwechsel der Pferde, welche allerdings keinerlei verhindernden Einfluss auf die Rissbildungen haben können. Diese sind aber durchaus geeignet die Ernährung der darauf sehr reaktiven Lederhautzellen der Hufe zum Nachteil der Hornqualität mehr oder weniger nachhaltig zu stören.

Häufig empfohlen und weniger potentiell schädlich aber völlig unwirksam erweisen sich die äußerlich auf die Hufe aufzutragenden Huffette oder Salben oder Produkte gleich welcher Inhaltstoffe, mit deren Wirkungsweisen man, folgt man den Ankündigungen der Hersteller, angeblich erfolgreich gegen Risse in den Hufwänden vorgehen oder sie verhindern können soll.Weil aber einmal produziertes Horn, aus toten und dabei verhornten Zellen der Huflederhaut besteht, ist es auch keinerlei Therapie oder Behandlung oder Versuchen zu seiner Verbesserung oder Ernährung zugänglich. Aufgrund des orthopädischen Hintergrundes solcher Horndefekte beschränkt sich der positive Effekt auf das Horn nur auf die Kosmetik.

Bei der Diskussion, ob gerissenes Horn zu trocken ist, oder zu viel Feuchtigkeit aus der Umwelt aufgenommen hat, werden die Beschaffenheit und Aufbau des Horns und die hierdurch speziellen Funktionen des Wandhorns nicht berücksichtigt.Tatsächlich ist das innere Wandhorn grobzellig, geschmeidig und hydrophil (Wasser anziehend). Den korrekten Feuchtigkeitsgehalt dieses körpernahen Wandhorns sichert die vom Blutsstrom an die Huflederhäute abgegebene körpereigene Feuchtigkeit. Sie stellt so die geschmeidige Anbindung der Hornwand an ihre Wandlederhaut sicher. Von innen nach außen zunehmend ist das Wandhorn enger werdend strukturiert und außen so dicht – und somit auch erst tragfähig -, dass weder die körpereigene Feuchtigkeit nach außen durchdringen kann – Hufe schwitzen nicht aus ihren Wänden – noch von außen Feuchtigkeit aufgenommen werden kann.

Hufe schwitzen sehr wohl aus ihren Hufsohlen, Strahl und Tragrändern. Deshalb kann deren Horn aufgrund ihrer Kapillarität Feuchtigkeit auch äußerlich aufnehmen, und zwar in dem Maße wie es der Gegendruck der körpereigenen Feuchtigkeit zulässt. Dieser und die Feuchtigkeitssperre bestimmen das Maß der Aufnahmefähigkeit des Horns bei äußerer Nässe, sichern die angepasste Hornflexibilität bei Trockenheit, und erhalten somit in jeder Situation die Trage- und Schutzfunktionen der jeweiligen Hornzellen und somit die der Hufe. Die Art und Weise des Funktionierens des Horns der Hufwand macht deshalb auch ihr Präparieren mit hydrophoben (Wasser abstoßenden) Mitteln ebenso nutzlos wie Wassertherapien. Jegliche Versuche die Qualität und Beschaffenheit des Hufhorns beeinflussen zu können, werden das Problem der physikalisch herbeigeführten fehlerhaften Hufform nicht lösen und somit nicht das hierdurch ausgelöste Hornproblem. 

Mittel der Wahl bei Hornrissen waren und sind bis heute die oft unterschiedlichen Ausführungen von Hufbeschlägen oder Klebe- bzw. anschnallbaren Hufschuhvarianten. Mit denen aber ebenfalls nicht die orthopädische Ursache zur Rissbildung beseitigt wird, die aber durch die versuchte Verdeckung der Symptome das ursächliche Problem eher verschlimmern können.Gleiches gilt für die unterschiedlichen Techniken Hornrisse- und besonders Spalten mittels Kleber oder Spachtel zu verschließen, oder was ebenfalls häufig versucht wird, sie durch angeklebte oder angeschraubte Laschen aus Stahl oder Kunststoff, bzw. mittels Spangen zu stabilisieren. Auch bei deren Anbringen gilt das Behandlungsziel dem Prinzip der Symptom-Verdeckung.

Wie kommt es zur Rissbildung in der Hufwand?

Das Konstrukt Hufwand, bestehend aus kräftigen aber elastischen Hornröhrchen und deren Verbundhorn, ist in einer von der Genetik vorbestimmten äußeren Form vorgesehen.
Demnach muss mit jeglichen erworbenen Veränderungen an der ursprünglich vorgesehenen Hufform bereits die Bildung von Rillen zwischen ihren Hornröhrchen einhergehen. Die sogenannten Windrisse weisen daher immer auf den Verlust der ursprünglich korrekten äußeren Huf-Form hin. So entstandene Hornrillen werden verstärkt durch mechanische Einwirkungen, welche ihren Ursprung bei lokalen Formveränderungen der Hufwand haben und die, infolge des dadurch generierten lokalen Wechsels der ständig stattfindenden Hufwand-Mechaniken, deren konzertiertes Zusammenwirken in ihrer Gänze nicht mehr zulassen.

Die Folgen sind mechanisch bedingte Beeinträchtigungen der Horn-Konstrukte am Ort des Zusammentreffens der unterschiedlichen Hufwandmechaniken, einhergehend mit zusätzlichen Stressreaktionen des beteiligten Hornröhrchen-Verbundhorns entlang und parallel der Hornröhrchen, was zunächst zu Rillen und schließlich zur Rissbildung zwischen ihnen führen kann. Die huforthopädische Lehre unterscheidet deshalb zwischen Rillen infolge von Formveränderungen der Hufwand, und solchen die durch Hufmechaniken vor Ort zu mechanisch bewegten Rissen wurden. Solche von der Hufwandmechanik beeinflussten Risse werden entsprechend der Bedeutung ihrer mechanischen Aktivierung, als die Hufwand demarkierende Risse bewertet.

Aus zunächst oberflächlichen aber meist bereits demarkierenden Rissen können infolge des mechanischen Einwirkens auf die, durch den Riss voneinander separierten Wandsegmente, naturgemäß auch halbseitig eigenständig arbeitende Hebel generiert werden. Besonders die oft unterschiedlich langen Wandsegmente führen zu halbseitig unterschiedlich starken Hebelkräften, die durchgehende Zusammenhangstrennungen der Hornwand entlang der Hornröhrchen und somit die Spaltung der Hufwand zur Folge haben können.

Es ist von der, auf beide so segmentierten Hufwandanteile einwirkenden physikalischen Druckkraft und besonders von deren Hebelkraft, deren Stärke von ihrer Länge und Schräge bestimmt wird, abhängig, ob und wie zügig sich aus der Zusammenhangstrennung zwischen den Hornröhrchen eine vom Tragrand ausgehende Spalte zwischen ihnen entwickelt. Mit zunehmender Länge und Schräge der, durch einen Spalt voneinander separierten Hufwandsegmente nimmt auch deren Spreizwirkung zu, in deren Folge, bodennah beginnend, beide segmentierten Wandbereiche auseinanderdriften und die Hufwand nach oben einreißen lassen. Unterschiedlich lange Hornstrecken bei den Hufwandsegmenten bestimmen den Grad der jeweiligen unterschiedlichen Hebel- und Spreizkräfte. Diese können eine Hufwand, auch bei halbseitiger Wirkung, bis zum Anfang der Hornröhrchen nach oben einreißen lassen, was dann zur durchgehenden Hornspalte und bis hin zur völligen Durchtrennung der Hufwand in zwei Segmente führt. Die, mit der Richtung der Hornröhrchen und zwischen ihnen verlaufenden Horndefekte stellen demnach immer Symptome einer physikalischen Überschreitung der Resistenzfähigkeit des Konstrukts Hufwand dar und sie fungieren, bei Hinzukommen von Hebelkräften, als Ausgangsbasis für Hornspalten.

Da an jedem Ort der Hufwand unterschiedliche Hufwandmechaniken ablaufen können treten Hornrisse auch an allen Orten der Hufwand auf. Dennoch gibt es typische Lokalisationen in deren Bereichen Hornrisse besonders häufig entstehen. Zu ihnen gehören die Hufzehenwand, in der sich infolge ihrer halbseitigen Überlänge, z.B. bei Vorliegen eines Zehenabweisers, aufgrund nicht zehenmittig angelaufener Zehenrichtung, meist in der Mitte der Zehenwand, ein oder auch mehrere Hornrisse bilden können. Sie sind die Folgen des Wechsels der Hufwandmechaniken infolge des Zwangabhufens bei einer solchen Veränderung, welche naturgemäß am körperfernsten Punkt ihre stärkste Ausprägung haben.

Weitere, für das Entstehen rillen- oder rissförmiger Horndefekte, typische Hufwandregionen sind die Übergänge der Hufseitenwände zu den Trachtenwänden. Hier, wo im Anschluss an den formstabilen Hufbeinknochen die elastischen Hufknorpel den inneren Hintergrund der Hornkapsel bilden, bestehen schon aufgrund der Härte und Struktur des Knochens im Gegensatz zu den elastischen Faserknorpeln, hier prädestinierende Hintergründe für das Entstehen solcher Hornwanddefekte. Deren Ursachen bestehen in Formveränderungen an den Übergängen der Hufseitenwände zu den Trachtenwänden, welche dort zu einer erworbenen Wandrundung führen.

Mit einer unphysiologischen Wandrundung geht immer ihre Biegesteifigkeit einher, und somit mit deren völlig anderen Hufwandmechaniken als im benachbarten mechanisch aktiven Hufwandbereich. Also kommt es auch am Ort des Wechsels der üblichen aktiven Hufmechaniken, mit der mechanischen Starre einer jeglichen erworbenen und somit unphysiologischen Wandrundung immer zu den zuvor beschriebenen Defekten am Gefüge der Hufwand. Verursacht werden solche Form-Veränderungen der Hufwand zu einer unphysiologischen Wandrundung zum Beispiel durch strahlwärts eingerollte und/ oder zehenwärts untergeschobenen Trachtenkomplexe.

Durch die üblich gebräuchlichen und oft auch in der Kombination angewandten Therapien des Pferdes und den Praktiken an seinen Hufen werden die physikalischen und somit orthopädischen Hintergründe und Ursachen für das Auftreten solcher Horndefekte völlig vernachlässigt. Sie können daher nicht geeignet sein, Hornrisse oder Hornspalten wirkungsvoll zu behandeln, sondern versuchen sich an den Symptomen. Indem aber mit der Nutzlosigkeit solcher Behandlungsversuche gleichzeitig deren Dauer anhält, können und werden sie die Schäden sehr wohl zusätzlich folgenreich fördern.

Bereits langes Experimentieren mit den herkömmlichen Versuchen verzögert den Beginn einer durchaus möglichen, real stattfindenden Rehabilitierung der veränderten Hufe – oder verhindert sie. Somit wird unter Umständen das orthopädische Problem zunehmend verschärft, welches sich hinter Rissen in einer Hufwand verbirgt, von dem aber weniger die Gesundheit des Horns betroffen ist, sondern die der Gliedmaße.

Weil die beschriebenen Horndefekte also deutliche Symptome eines veränderten Hufs darstellen, ist somit gleichzeitig die Statik und die Balance seiner gesamten Gliedmaßen verändert. Es handelt sich demnach bei ihnen um ernstzunehmende Hinweise darauf, dass die Tüchtigkeit und Unversehrtheit der Stütz- und Bewegungsorgane gefährdet ist. Erforderlich ist demnach die Abkehr von althergebrachten Meinungen und Hinwendung zur orthopädischen Betrachtung und Bewertung eines Schadensbildes, welches alltäglich ist und allerorten vorgefunden wird.

Jochen Biernat

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